Der Classico im Wandel der Zeit
Wenn Borussia Dortmund auf den FC Bayern München trifft, dann ist das traditionell ein Spiel mit besonderer Strahlkraft. „Der deutsche Classico“ – dieser Begriff hat sich über Jahre hinweg eingebrannt. Doch in letzter Zeit mehren sich die Stimmen, die fragen: Ist diese Bezeichnung überhaupt noch zeitgemäß?
Nach dem 2:2-Unentschieden in der Allianz Arena am Samstagabend ist die Diskussion neu entfacht. Denn während das Ergebnis ausgeglichen scheint, offenbart die Gesamtsituation der beiden Vereine einen immer deutlicher werdenden Abstand. Und auch unter den Fans ist längst nicht mehr von Rivalität auf Augenhöhe die Rede – sondern von einem ungleichen Duell, das nur noch vom Mythos lebt.
Die sportliche Realität: Bayern enteilt – Dortmund stagniert
Das Remis ändert nichts an der grundsätzlichen Konstellation: Die Bayern kämpfen wie gewohnt um die Meisterschaft, während Dortmund – aktuell nur Achter – bangen muss, überhaupt international vertreten zu sein in der nächsten Saison.
In der Tabelle spiegelt sich eine Entwicklung wider, die seit Jahren anhält: Der BVB wird regelmäßig als Herausforderer verkauft, doch Titel waren selten. Seit dem Double unter Jürgen Klopp 2012 gingen fast alle großen Trophäen an die Bayern. Der personelle Unterschied – insbesondere in der Kaderbreite – ist gravierend, auch wenn Dortmund mit Namen wie Sancho, Adeyemi oder Füllkrug nominell gut besetzt scheint.
Der Begriff „deutscher Classico“: Marketing-Label oder echte Rivalität?
Früher waren die Duelle zwischen Bayern und Dortmund elektrisierend – auf dem Platz wie auf den Rängen. Doch heute wirkt der „Classico“ oft wie ein Überbleibsel aus besseren (Dortmunder) Zeiten. Der Begriff wurde von Medien und der Liga kultiviert, um ein deutsches Pendant zu Klassikern wie „El Clásico“ (Barcelona vs. Real Madrid) zu etablieren. Doch was fehlt, ist die sportliche Brisanz auf Augenhöhe – und damit auch die emotionale Aufladung.
Unter den Fans wird das immer häufiger thematisiert. In sozialen Netzwerken schreiben viele BVB-Anhänger, man sei „nur noch Statist im Bayern-Stück“. Auch FCB-Fans empfinden die Spiele gegen Leverkusen oder Leipzig inzwischen als sportlich reizvoller. Der „Classico“ lebt – aber vielfach nur noch im Marketing.
Ausblick: Was bleibt vom Classico – und was müsste sich ändern?
Damit der deutsche Classico mehr ist als ein nostalgisches Label, müsste sich vor allem beim BVB etwas bewegen. Konstanz im Kader, klare sportliche Linie, eine echte Titelform – das sind die Voraussetzungen, um wieder dauerhaft auf Augenhöhe mit Bayern zu agieren. Auch der Klub selbst muss sich fragen, ob er bereit ist, den nächsten Schritt zu gehen – oder ob das jährliche „Mitschwimmen“ genügt.
Auf der anderen Seite liegt es auch an den Bayern, ob sie solche Duelle weiter als Prestigespiele behandeln oder eher als Pflichttermine im Meisterschaftsalltag.
Fazit: Zwischen Prestige und Realität
Das gestrige 2:2 war ein Achtungserfolg für Dortmund – mehr nicht. Die große Rivalität zwischen den beiden Klubs lebt derzeit mehr in Erinnerung als in der Realität. Der Begriff „deutscher Classico“ ist geblieben, weil er Klicks bringt, Aufmerksamkeit erzeugt – und weil viele Fans sich an eine Zeit klammern, in der es wirklich um alles ging.
Doch Stand heute bleibt das Gefühl: Das Duell Bayern gegen Dortmund ist immer noch ein großer Fußballabend. Aber einer, der zunehmend vom Glanz vergangener Tage lebt.