Der Fußball hat ein strukturelles Sexismus-Problem – von unfairer Bezahlung über fehlende Sichtbarkeit bis hin zu Alltagsdiskriminierung. Spielerinnen, Schiedsrichterinnen und Journalistinnen kämpfen nicht nur um Anerkennung, sondern gegen tief verankerte Machtstrukturen. Zwar gibt es Fortschritte und Initiativen, doch Gleichberechtigung bleibt ein langer Weg. Dieser Artikel zeigt Ursachen, Beispiele und Lösungen – und warum der Fußball jetzt handeln muss.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung: Der blinde Fleck im Lieblingssport
- 2. Struktureller Sexismus: Wenn das System mitspielt
- 3. Alltagssexismus: Zwischen Kabine, Spielfeld und Social Media
- 4. Sichtbarkeit und Wahrnehmung: Frauenfußball im Schatten
- 5. Fortschritte und Gegenbewegungen
- 6. Handlungsempfehlungen & Ausblick

Einleitung: Der blinde Fleck im Lieblingssport
Fußball gilt als der Volkssport Nummer eins – emotional, verbindend, leidenschaftlich. Auf und neben dem Platz begeistert das Spiel Millionen Menschen, unabhängig von Alter, Herkunft oder Geschlecht. Doch hinter der glanzvollen Fassade brodelt es gewaltig: Sexismus ist nach wie vor ein tief verwurzeltes Problem im Fußball, das lange ignoriert oder verharmlost wurde. Während männliche Profis im Rampenlicht stehen und Millionen verdienen, kämpfen Frauen im Fußball oft gegen Vorurteile, abfällige Kommentare und strukturelle Benachteiligung – sei es als Spielerinnen, Funktionärinnen, Schiedsrichterinnen oder Journalistinnen.
Der Fußball spiegelt die Gesellschaft wider – mit all ihren Fortschritten, aber auch ihren Schattenseiten. Sexismus im Fußball ist kein Einzelfall, sondern ein Systemproblem, das sich durch alle Ebenen zieht: von der Kreisliga bis zur Champions League, vom Vereinsheim bis in die Chefetagen der Verbände. So berichtete die Tagesschau über alltäglichen Sexismus im Frauenfußball, während der Spiegel den strukturellen Ausschluss von Frauen in der Fußballwelt beleuchtete.
Der Druck auf die Verbände wächst – auch international. Die BBC dokumentierte mehrfach Sexismus-Vorfälle auf Funktionärsebene, zuletzt etwa im Fall von Luis Rubiales. Doch viele Betroffene schweigen noch – aus Angst vor Karriere-Nachteilen oder öffentlicher Anfeindung. Dieser Beitrag beleuchtet, wie Sexismus im Fußball wirkt, warum er so hartnäckig ist – und was sich ändern muss, damit Fair Play auch abseits des Platzes gilt.
Struktureller Sexismus: Wenn das System mitspielt
Sexismus im Fußball zeigt sich nicht nur in beleidigenden Kommentaren oder respektlosem Verhalten – oft ist er viel subtiler und gefährlicher: Er steckt im System selbst. Struktureller Sexismus bedeutet, dass Frauen im Fußball dauerhaft benachteiligt werden, weil die Regeln, die Entscheidungsstrukturen und die Verteilung von Ressourcen historisch und institutionell auf Männer ausgerichtet sind.
Ein deutliches Beispiel ist die ungleiche finanzielle Förderung: Während im Männerfußball Millionenbeträge für Transfers, Gehälter und Infrastrukturen fließen, müssen Frauenmannschaften häufig mit einem Bruchteil dieser Mittel auskommen. Selbst in der Bundesliga trainieren Spielerinnen teils unter semi-professionellen Bedingungen – und das, obwohl sie dieselbe Leistung, denselben Aufwand und denselben Anspruch wie ihre männlichen Kollegen mitbringen. Die Süddeutsche Zeitung hat hierzu eine detaillierte Analyse veröffentlicht, die das strukturelle Ungleichgewicht beleuchtet.
Hinzu kommt die ungleiche Repräsentation in Führungspositionen: In den großen Fußballverbänden und Vereinen sind Frauen in Macht- und Entscheidungsrollen nach wie vor stark unterrepräsentiert. Der Kicker berichtete über die gläserne Decke in den Fußballgremien, während der DFB selbst einräumt, dass er mit seiner Gleichstellungsstrategie noch am Anfang steht.
Nicht zuletzt zeigt sich struktureller Sexismus auch in der mangelnden Nachwuchsförderung: Mädchen bekommen oft nicht dieselben Chancen wie Jungen, weil es an geeigneten Angeboten, weiblichen Vorbildern und gezielter Förderung mangelt. Schon im Jugendbereich entstehen so Ungleichheiten, die sich bis in den Profibereich fortsetzen. Eine Untersuchung der BBC macht deutlich, wie gravierend der Unterschied in der Talentförderung zwischen Jungen- und Mädchenfußball international ist.
Solange diese Strukturen nicht aufgebrochen werden, bleibt Gleichberechtigung im Fußball ein Lippenbekenntnis.
Alltagssexismus: Zwischen Kabine, Spielfeld und Social Media
Sexismus im Fußball beginnt nicht erst auf Funktionärsebene – er ist für viele Frauen bereits im Alltag spürbar. Ob in der Kabine, auf dem Spielfeld oder in den Kommentarspalten sozialer Netzwerke: Alltagssexismus ist im Fußball tief verankert. Er äußert sich durch abfällige Sprüche, unangemessene „Witze“, die sexualisierte Darstellung von Spielerinnen – oder auch durch schlichtes Ignorieren weiblicher Leistungen.
Viele Frauen berichten von respektlosem Verhalten im Trainings- und Spielbetrieb, sei es durch Mitspieler, Trainer oder Gegner. In einem Beitrag des WDR schildern Fußballerinnen aus NRW offen ihre Erfahrungen mit verbalen Übergriffen und mangelnder Wertschätzung. Auch im Amateurbereich sind sexistische Kommentare wie „Geh doch in die Küche“ oder „Fußball ist nix für Frauen“ für viele keine Ausnahme, sondern Alltag.
Besonders sichtbar wird dieser Sexismus im digitalen Raum. Spielerinnen, Schiedsrichterinnen und Reporterinnen werden in sozialen Medien häufig massiv beleidigt und sexualisiert. Eine Studie der FIFA aus dem Jahr 2022 zeigt, wie stark weibliche Akteurinnen im Fußball Zielscheibe von Online-Hass sind – deutlich häufiger als ihre männlichen Kollegen. Auch prominente Fälle wie der von Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus machten deutlich, wie schwer es ist, sich als Frau im männerdominierten Fußball durchzusetzen. Die Tagesschau begleitete ihren Werdegang und die Widerstände, mit denen sie konfrontiert war.
Auch Medien spielen eine Rolle: Frauenfußball wird nicht nur seltener, sondern oft auch mit anderen sprachlichen Maßstäben behandelt. Begriffe wie „Damenmannschaft“, „Mädels“ oder die Konzentration auf das Aussehen statt die Leistung tragen ungewollt zur Abwertung bei. Eine Untersuchung der TU München zeigt, wie Sprache im Sportjournalismus Geschlechterklischees verstärken kann.
Alltagssexismus ist wie eine zweite Abseitsregel – nur gilt sie nur für Frauen.
Sichtbarkeit und Wahrnehmung: Frauenfußball im Schatten
Ein zentrales Problem im Kampf gegen Sexismus im Fußball ist die mangelnde Sichtbarkeit von Frauen – auf dem Platz, in den Medien und in der öffentlichen Wahrnehmung. Obwohl sich in den letzten Jahren einiges bewegt hat, herrscht immer noch ein eklatantes Ungleichgewicht: Männerfußball dominiert die Schlagzeilen, die Übertragungen und die Sponsoring-Millionen, während der Frauenfußball oft als Randnotiz behandelt wird.
Ein Blick auf die Sendezeiten im Fernsehen macht den Unterschied deutlich: Während Spiele der Männer-Bundesliga regelmäßig live auf mehreren Sendern und Streamingplattformen laufen, sind Begegnungen der Frauen-Bundesliga nur eingeschränkt verfügbar. Die Tagesschau berichtete 2023 darüber, wie mangelnde Sichtbarkeit den Frauenfußball bremst. Auch öffentlich-rechtliche Sender zeigen zwar gelegentlich große Turniere, lassen jedoch den Ligabetrieb oft außen vor.
Hinzu kommt, dass der Frauenfußball häufig anders vermarktet wird – weniger als Sportevent, mehr als „familienfreundliche Alternative“ oder „sympathische Nische“. Werbeträger fokussieren sich oft auf das äußere Erscheinungsbild von Spielerinnen, nicht auf ihre sportliche Leistung. Eine Analyse der Süddeutschen Zeitung zeigt, wie diese Darstellungsweise die öffentliche Wahrnehmung beeinflusst – und wie schwer es Frauen dadurch fällt, als professionelle Athletinnen ernst genommen zu werden.
Auch die Medienberichterstattung ist quantitativ wie qualitativ unausgewogen. Eine Studie der TU Wien zeigt: Nur etwa 4 % der Sportberichterstattung in Europa beschäftigen sich mit Frauensport – und selbst diese Berichte sind oft geprägt von Stereotypen und Klischees.
Zwar sorgten Großereignisse wie die EM 2022 für kurzzeitige Aufmerksamkeit – der Spiegel analysierte damals einen „Sommer der Hoffnung“ für den Frauenfußball – doch langfristig blieb der strukturelle Wandel aus. Die Euphorie verpuffte – nicht zuletzt, weil es an nachhaltiger medialer Präsenz und finanzieller Gleichstellung mangelte.
Sichtbarkeit ist kein Bonus – sie ist die Voraussetzung dafür, dass Gleichberechtigung im Fußball überhaupt stattfinden kann.
Fortschritte und Gegenbewegungen
Trotz aller Rückschläge gibt es sie: positive Entwicklungen und mutige Stimmen, die sich dem Sexismus im Fußball entgegenstellen. Ob durch öffentliche Aufklärung, strukturelle Reformen oder individuelle Initiativen – in den letzten Jahren hat sich etwas bewegt. Es sind kleine, aber bedeutende Schritte in Richtung Gleichberechtigung.
Ein Beispiel ist die zunehmende Anzahl an Projekten zur Förderung von Frauen im Fußball, etwa das DFB-Programm „Nicht ohne meine Mädels“, das gezielt Mädchen für den Vereinssport begeistern will. Der Deutsche Fußball-Bund betont auf seiner offiziellen Website sein Engagement für mehr Sichtbarkeit, Beteiligung und Gleichstellung – auch wenn Kritiker fordern, dass Worte endlich von echten Taten gefolgt werden müssen.
Auch innerhalb von Vereinen und Fanstrukturen regt sich Widerstand. In vielen Städten engagieren sich Fan-Initiativen und Ultras gegen Sexismus im Stadion, wie z. B. bei der Aktion „Love Football – Hate Sexism“, die bundesweit auftritt. Solche Bewegungen sensibilisieren für sexistische Strukturen in der Fankultur und setzen auf Aufklärung statt Ausgrenzung.
Zudem gibt es einzelne Vorreiterinnen, die durch ihre Sichtbarkeit und Haltung Zeichen setzen. Spielerinnen wie Alexandra Popp, Megan Rapinoe oder Ada Hegerberg sprechen offen über Ungleichbehandlung und nutzen ihre Plattformen, um für Veränderungen zu kämpfen. Die BBC porträtierte kürzlich einige dieser Stimmen, die mit Courage und Klarheit Sexismus ansprechen – und Vorbilder für die nächste Generation geworden sind.
Auch auf internationaler Ebene wächst der Druck auf die Verbände. Nach dem Kuss-Skandal um Spaniens Verbandschef Luis Rubiales bei der Frauen-WM 2023 wurde deutlich, wie nötig eine verbindliche Ethik und Machtkontrolle im Fußball ist. Der Fall löste eine weltweite Debatte aus, über die u. a. die Tagesschau ausführlich berichtete – und die zu ersten Rücktritten und strukturellen Prüfungen führte.
Veränderung ist möglich – aber sie braucht Mut, Beharrlichkeit und den festen Willen, das Spiel für alle fairer zu machen.
Handlungsempfehlungen & Ausblick
Der Weg zu mehr Gleichberechtigung im Fußball ist noch lang – aber er ist gangbar, wenn alle Akteure Verantwortung übernehmen: Verbände, Vereine, Medien, Fans. Was es braucht, sind nicht nur wohlklingende Statements, sondern konkrete Maßnahmen mit nachhaltiger Wirkung.
Erstens: Strukturen müssen reformiert werden. Der Frauenfußball braucht faire Ressourcenverteilung, professionelle Trainingsbedingungen und gleichwertige Vermarktung. Der Equal Pay-Vergleich zwischen Australien und den USA zeigt, dass Gleichstellung im Profifußball möglich ist – wenn der politische Wille da ist.
Zweitens: Sichtbarkeit muss ausgebaut werden. Medienhäuser sollten mehr Frauenfußball zeigen – nicht nur bei Großereignissen, sondern auch im Ligabetrieb. Laut einer Studie des ZDF wünschen sich Zuschauer*innen mehr Vielfalt im Sportprogramm – und honorieren das mit wachsender Reichweite, wie zuletzt bei der Frauen-EM 2022 zu sehen war.
Drittens: Bildung und Sensibilisierung sind zentral. Verbände und Vereine müssen Präventionsarbeit gegen Sexismus leisten – von der Kabine bis zur Geschäftsstelle. Schulungen, Verhaltenskodizes und Anlaufstellen für Betroffene sollten Standard sein, wie es z. B. die Antidiskriminierungsstelle des Bundes empfiehlt.
Viertens: Mehr Frauen in Entscheidungspositionen. Ob als Trainerin, Managerin oder Funktionärin – ohne weibliche Stimmen in Führungsrollen bleibt der Fußball einseitig. Der DFB hat hier Nachholbedarf, wie auch die Süddeutsche Zeitung in ihrer Kritik am Männerüberschuss in den Gremien unterstreicht.
Am Ende steht die Erkenntnis: Sexismus im Fußball ist kein Randphänomen – aber auch kein Naturgesetz. Veränderung ist möglich, wenn sie ernst gemeint ist und alle bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Der Fußball kann – und muss – ein Vorbild sein. Nicht nur für Fairness auf dem Rasen, sondern auch für Gleichberechtigung und Respekt in der gesamten Gesellschaft.