Gestern sorgte die 12. Etappe der Vuelta a España für eine spektakuläre Wende im Gesamtklassement. Der Australier Ben O’Connor (AG2R Citroën Team) übernahm überraschend das begehrte Rote Trikot und entriss damit Primož Roglič (Jumbo-Visma) die Gesamtführung. Die 165,5 Kilometer lange Bergetappe von Ólvega nach Zaragoza, die eigentlich als unspektakulär galt, entwickelte sich zu einem spannenden Drama, das die Vuelta auf den Kopf stellte.
O’Connors Triumph und Taktik
O’Connor, der als starker Kletterer bekannt ist, zeigte eine beeindruckende Leistung und setzte sich früh in einer Ausreißergruppe ab. Diese Gruppe konnte sich einen soliden Vorsprung herausfahren, während das Peloton, angeführt von Jumbo-Visma, lange zögerte, die Lücke zu schließen. Als es schließlich zu spät war, hatte O’Connor seinen Zeitvorsprung auf die Gesamtführenden deutlich ausgebaut.
In den finalen Anstiegen zeigte der Australier eine nervenstarke und taktisch kluge Fahrt. Während seine Konkurrenten in der Verfolgung keine klare Führungsarbeit leisteten, konnte O’Connor seine Führung bis ins Ziel verteidigen. Mit dieser Leistung katapultierte er sich an die Spitze der Gesamtwertung und sorgte für eine der größten Überraschungen der diesjährigen Vuelta.
Roglič schwächelt – was ist los beim Slowenen?
Für Primož Roglič verlief der Tag alles andere als nach Plan. Der dreifache Vuelta-Sieger wirkte ungewöhnlich passiv und konnte in den entscheidenden Momenten nicht mit der Dynamik des Rennens mithalten. Trotz einer starken Teamleistung fehlte dem Slowenen am Ende die nötige Kraft, um den Zeitverlust auf O’Connor in Grenzen zu halten.
Es stellt sich die Frage: Hat Roglič vielleicht nicht mehr die Form, die ihn in den vergangenen Jahren zu einem der dominierenden Fahrer im Grand-Tour-Radsport gemacht hat? Oder war es lediglich ein taktischer Fehler seines Teams, das zu lange mit der Verfolgung gewartet hat?
Die Auswirkungen auf das Gesamtklassement
Mit der Übernahme des Roten Trikots hat O’Connor nicht nur die Vuelta für sich, sondern auch für alle Beobachter neu eröffnet. Die Favoriten um Roglič, Enric Mas (Movistar) und Remco Evenepoel (Soudal-Quick-Step), müssen sich nun neu positionieren. Für O’Connor wird es in den kommenden Tagen eine Herkulesaufgabe, das Trikot zu verteidigen, doch die psychologische Wirkung seines Coups könnte ihm den nötigen Rückenwind geben.
Auch wenn noch viele schwere Bergetappen auf dem Programm stehen, zeigt die gestrige Etappe, dass in diesem Rennen alles möglich ist. Die Vuelta a España bleibt damit ihrem Ruf als unvorhersehbarste der drei großen Rundfahrten treu.
Ausblick auf die kommenden Etappen
In den kommenden Tagen wird die Vuelta in die Hochgebirgsregionen eintauchen, wo die Kletterer wieder dominieren werden. Besonders die 15. Etappe hinauf zum legendären Alto de l’Angliru könnte eine Schlüsselrolle im Kampf um das Rote Trikot spielen. Dort werden sich Roglič und Co. neu beweisen müssen, wenn sie O’Connor vom Thron stoßen wollen.
Fazit: Die Vuelta a España ist spannender denn je, und mit Ben O’Connor hat ein neuer Protagonist die Bühne betreten. Ob er das Rote Trikot bis nach Madrid tragen kann, bleibt abzuwarten, doch eines ist sicher: Die Fans dürfen sich auf packende Etappen freuen.